Frieda Thiersch, Auchbuchbinderin

Die Villa Thiersch, Georgenstrasse 16

Die Villa Thiersch, Georgenstrasse 16. Rechts im Hintergrund das Atelier-Blockhaus.

Der Adresse nach befand sich Frieda Thierschs Werkstatt offenbar zunächst in der elterlichen Villa. In der Folge dient ihr jedoch der Russische Pavillon in der Georgenstraße 16a, im Garten des Elternhauses, als Ateliergebäude. Das zweigeschössige Holzhaus in altrussischem Stil hatte schon früher eine Rolle in der Münchener Kunstszene gespielt: Bis 1905 beherbergte es die Kunstschule des slowenischen Malers Anton Ažbe, in der unter anderem Wassily Kandinsky seine erste malerische Ausbildung genoss. Auch Franziska von Reventlow hat hier den Pinsel geschwungen, bis sie sich aufs Literaturfach verlegte. 1921 hielt die Bremer Presse Einzug. Wie die folgende Mitteilung Willy Weigands nahelegt, scheint sich dabei auch an den Besitzverhältnissen etwas geändert zu haben:

„Während des Ersten Weltkrieges stellte die Bremer Presse ihre Tätigkeit ein. Während des Krieges (1917) übersiedelte die Bremer Presse nach Bad Tölz, in der Nähe von München, in ein Landhaus, das Thomas Mann sich dort gebaut hatte, und das ich von ihm kaufte. Das Haus hatte also schon eine gewisse literarische Vergangenheit. 1921 übersiedelte die Bremer Presse in mein Haus in München (Georgenstraße 16 a).“ — Willy Wiegand, zitiert nach: Dirk Heisserer, Im Zaubergarten: Thomas Mann in Bayern, C. H. Beck, 2005.

 

In einer Bombennacht im Jahr 1944 brannte das Gebäude vollständig nieder, wobei auch die wertvollen Sammlungen von Frieda Thiersch und der Bremer Presse fast vollständig ein Raub der Flammen wurden. Es war dieselbe Nacht, in der die zwei Straßenzüge weiter lebende Catherina Godwin ihr komplettes Hab und Gut verlor.

In der Zusammenarbeit mit Willy Wiegand, dem Besitzer der Bremer Presse, fand Frieda Thiersch die Chance, ihren eigenen, unverkennbaren Stil weiter zu entwickeln. Die Druckerzeugnisse der Presse waren in jeder Hinsicht perfektionistisch und gelten vielen Bibliophilen für das Höchste, was die deutsche Buchkunst hervorgebracht hat – Handpressendrucke in eigens von Wiegand entworfenen und von Louis Hoell geschnittenen Schriften auf besten Bütten- oder Japanpapieren. Geschmacklich-stilistisch orientierte sich die Bremer Presse an der Doves Press: Perfekt ausgeglichene Typographie, deren einziges Ornament die handgezeichneten Initialen waren, die den Text gliederten.

Fast alle Initiale wurden von der Schriftkünstlerin Anna Simons und ihrer Assistentin und Schülerin Franziska Kobell gestaltet, in einem Fall zeichnete auch Frieda Thiersch für den Buchschmuck verantwortlich. Sie war aber vor allem dafür zuständig, angemessene Einbände für die erlesenen Werke zu erschaffen – Einbände, die ihrem Inhalt in nichts nachstanden — und sie erledigte diese Aufgabe meisterhaft.

Nächste Seite: Copyright auf Pergamentbände?

Author: Andreas Schüler

Geboren 1970 · Aufgewachsen in Nordhessen · Studium in Frankfurt und Halle · Lebt und arbetet in Berlin · Stationen als Ghostwriter, Konzepter, Art Director, Onlineredakteur, Creative Director, Head of Content, Head of Marketing. Vater von zwei Söhnen.

Share This Post On

4 Kommentare

  1. Gerhardt Schuster:
    Rudolf Borchardt, Rudolf Alexander Schröder: Briefwechsel 1919-1945
    Carl-Hanser-Verlag
    Brief Borchardt an R.A. Schröder vom 5.1.1930
    Ausage über Verhältnis Wiegand / Thiersch

    Rudolf Adolph: Aus der Geschichte der Bremer Presse:
    “Leiter der Buchbinderei wurde auf Anraten
    von Julius Meier-Graefe zunächst Peter Demeter; im Februar
    1914 übernahm Frieda Thiersch die Leitung”

    MfG, Helmut

    Kommentar absenden
    • Herr Steffens, vielen herzlichen Dank!
      Der Briefwechsel steht als nächstes auf dem Wunschzettel – leider gibt die hiesige Bibliothek nicht allzuviel her, ich werde es wohl mal per Fernausleihe versuchen müssen.
      MfG, Andreas

      Kommentar absenden
  2. hallo herr schüler , ist der hess nicht in marburg geboren, oder gab es noch eien zweiten ? mfg dietze

    Kommentar absenden
  3. Hallo Herr Dietze, stimmt, Ludwig Hess wurde 1877 in Marburg geboren und starb 1944 in Berlin.
    Beste Grüße, A. Schüler

    Kommentar absenden

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert