Frieda Thiersch, Auchbuchbinderin

Thiersch-Einband

Der typische Thiersch-Einband: „Sechs bindetechnische Punkte festgesetzt.“

1922 verklagte Frieda Thiersch einen ihrer früheren Gesellen, den Kunstbuchbinder Gustav Keilig, auf Unterlassung. Stein des Anstoßes waren Einbände Keiligs, die Frieda zu sehr an ihre eigenen erinnerten. Sie hatte für die Fertigung ihrer Pergamentbände sechs bindetechnische Punkte festgesetzt und wollte Keilig nun gerichtlich untersagen lassen, seine Pergamentbände in derselben Art zu fertigen – ein merkwürdiges Unterfangen, wenn man bedenkt, dass es um die sicher nicht schützbare Anwendung jahrhundertealter Buchbindetechniken ging.

Augenscheinlich war es Frieda Thiersch jedoch daran gelegen, ihren Einbänden ein wiedererkennbares Erscheinungsbild zu sichern und sie vor Konkurrenz durch möglicherweise minderwertige Kopien zu schützen. Sie brachte deshalb anerkannte Koryphäen der Buchkunstbewegung als Zeugen bei. Neben Willy Wiegand und Anna Simons wurden Franz Blei, der spätere NS-Reichsamtsleiter fürKunst- und Kulturfragen Ernst Schulte Strathaus, der Buchhändler und Antiquar Horst Stobbe, die Buchkünstler Fritz Helmuth Ehmcke und Christian Heinrich Kleukens sowie, last but not least, der Buchhändler, Galerist und Verleger Hans Goltz als Zeugen gehört. Der Rechtsstreit erntete dementsprechendes Echo in Fachmedien und Lokalzeitungen. Paul Kersten verfasste darüber einen unangenehm polemischen Beitrag, der in Hans von Webers „Zwiebelfisch“ erschien (XIV. Jahrgang (1922) Heft 1 – 3, Ss. 14 – 18). Der Artikel ist typisch Kersten — in gewohnt überheblicher und ehrabschneiderischer Weise zieht er über Frieda Thiersch her, spricht ihr die Qualifikation ab und gibt sie der Lächerlichkeit preis. Eine Abschrift des Artikels gibt es hier.

Author: Andreas Schüler

Geboren 1970 · Aufgewachsen in Nordhessen · Studium in Frankfurt und Halle · Lebt und arbetet in Berlin · Stationen als Ghostwriter, Konzepter, Art Director, Onlineredakteur, Creative Director, Head of Content, Head of Marketing. Vater von zwei Söhnen.

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4 Kommentare

  1. Gerhardt Schuster:
    Rudolf Borchardt, Rudolf Alexander Schröder: Briefwechsel 1919-1945
    Carl-Hanser-Verlag
    Brief Borchardt an R.A. Schröder vom 5.1.1930
    Ausage über Verhältnis Wiegand / Thiersch

    Rudolf Adolph: Aus der Geschichte der Bremer Presse:
    “Leiter der Buchbinderei wurde auf Anraten
    von Julius Meier-Graefe zunächst Peter Demeter; im Februar
    1914 übernahm Frieda Thiersch die Leitung”

    MfG, Helmut

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    • Herr Steffens, vielen herzlichen Dank!
      Der Briefwechsel steht als nächstes auf dem Wunschzettel – leider gibt die hiesige Bibliothek nicht allzuviel her, ich werde es wohl mal per Fernausleihe versuchen müssen.
      MfG, Andreas

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  2. hallo herr schüler , ist der hess nicht in marburg geboren, oder gab es noch eien zweiten ? mfg dietze

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  3. Hallo Herr Dietze, stimmt, Ludwig Hess wurde 1877 in Marburg geboren und starb 1944 in Berlin.
    Beste Grüße, A. Schüler

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