ERFOLG
Jagd nach Erfolg ist der Ehrgeiz der Zeit und die Gefahr für die Kunst und den Künstler, weil Gefahr für das künstlerische Gewissen.
Einst glaubte der Künstler, daß der Erfolg ihm gegeben sei, damit er sich in seinem Werke vor den anderen beweise. Heute begreift er, daß ihm der Erfolg dazu dient, sich durch den Applaus der andern vor sich selbst zu beweisen. Der Erfolg wird zum Selbstzweck. Der krampfhaft nach Erfolg Jagende arbeitet nicht mehr um seines Werkes willen, er arbeitet um seines Erfolges willen. Er dient somit nicht mehr der Kunst, sondern die Kunst dient ihm.
Erfolg ist nicht mehr das Resultat eines Wertes, sondern ein Mittel, um wirkliche oder scheinbare Werte zu propagieren. Will man mit der Kunst ein Geschäft machen, so bedarf es des Erfolges.
Auch Kunst ist heute ein Geschäft. Wir Künstler wissen nicht, sollen wir sagen „leider!“ — oder „gottseidank!“ Wir wissen nicht, wird in der Hast der Konkurrenz die Kunst den Alltag erobern, oder wird sie an die geschäftswütige Wirklichkeit sich verkaufen.
Sichtlich arbeitet die Kunst in dem Kampf um ihre siegreiche Behauptung selbst schon mit den Mitteln, die sie bekämpft. In diesem Kampfe um Verinnerlichung schreit sie ihr Innen nach außen. Sie wird zur Reklame für die Idee. Im expressionistischen Gemälde sind die Inhalte zur Oberfläche gezerrt, das Wesen der Dinge wird zum Aufruf, die Seele zum Plakat.
Dieser Gegensatz zwischen Ziel und Idee, zwischen Zweck und Mittel, ist zu tiefst begründet: Will die Seele gehört werden, will das Feinere über das Gröbere siegen, darf es kkein Mittel scheuen, um sich durchzusetzen. So gerät die Kunst in Widerspruch zu ihrem eigentlichen Wesen. Überall lässt sich heute dieser Widerspruch erkennen zwischen der grundlegenden Idee und den Propagandamitteln für diese Idee. (Auch in der Politik.)
Aber die Sehnsucht nach Erfolg, die den einzelnen treibt, sich isoliert und erhöht über die Masse hinauszustellen, sucht ja rückwirkend doch verstärkt die Masse an sich heranzureißen!
Tatsächlich verrät diese egozentrische Sehnsucht nach Erfolg einen großen Wunsch nach Gemeinsamkeit. Denn der Erfolg ist die Gemeinsamkeit des einen in seinem Werke mit den anderen.
Durch laute Propaganda wird Wertloses oft künstlich heraufgetrieben, doch auch Wertvolles oft zu Tode gehetzt. Der tote Dichter ist lebendig in seinem Erfolg, doch der lebendige Dichter ist oft in seinem Erfolge tot. Die laute Propaganda um das Wertose ist es, die das Wertvolle in seinem Erfolge diskreditiert, ja die Hoffnung auf Propaganda für geistige Erzeugnisse überhaupt in Frage stellt. Das Publikum, bereits mißtrauisch am lauten Erfolg, läßt den Erfolgreichen eines Tages fallen und wendet sein Interesse einem neuen Schlager zu. —
Und dennoch: Erfolg ist nicht immer ein Gegenbeweis!
Catherina Godwin
Zwiebelfisch, 18. Jahrgang 1925, Doppelheft 1/2, Ss. 8/9