Begegnungen mit Mir: Kritiker über Catherina Godwin

"Begegnungen mit Mir" im Seideneinband von Carl Sonntag jun.

„Begegnungen mit Mir“ im Seideneinband von Carl Sonntag jun.

Bereits mit ihrem Erstlingswerk, der ironisch-melancholischen Selbst- und Gesellschaftsanalyse „Begegnungen mit Mir“ (Hyperion-Verlag Hans von Weber, München 1909) räumte Catherina Godwin bei den Kritikern ganz groß ab.

Gleichzeitig erschuf sie sich in spießbürgerlichen Kreisen das Image einer mondänen, tabulosen und die Grenzen von Anstand und Moral überschreitenden Hetäre. Sie selbst meint dazu sinngemäß, sie erscheine anderen als eine Frau, die sich den Anschein der Tugend gibt und heimlich untreu ist, während sie tatsächlich die Mondäne spiele und heimliche Tugend besäße (sobald ich das entsprechende Zitat wieder aufspüre, reiche ich es an dieser Stelle nach).

Nachfolgend ein Querschnitt durch das Presseecho (größtenteils aus zweiter Hand, den Verlagsanzeigen Hans von Webers entnommen):

„BEGEGNUNGEN MIT MIR“ IM SPIEGEL DER PRESSE

DER TAG:

 
Wenn Sie den Fächer in der Hand durch die verzärtelten Gärten der Kultur tänzelt, nicken ihr die stolzierenden Pfauen vor dem Spiegel silberner Fontänen zu und schlagen ihr zu Ehren Rad um Rad. Halb weiblicher Beardsley, halb Peter Altenberg, erfreut sie durch das Spitzenwerk durchbrochener Worte und Stimmungen. Gewiss finden sich in dem Bande auch anfechtbare Einzelheiten, doch kann ein gepflegter Geschmack an dem verführerischen Lebensgefühl und dem verblüffenden Beobachtungsreichtum reichlich Gefallen finden.

NEUE FREIE PRESSE [Max Brod] :

 
Ein neuer Typ der Weiblichkeit ist geschaffen, zu dem sich von nun an viele bekennen werden … ein bewundernswertes Stück Kunst in dem Buch … weit über dem Niveau der Frauenbücher, die man sonst so kennt.

DIE GEGENWART:

 
C. Godwin erscheint als die erste deutsche Schriftstellerin von Welt. Man liest die essaygleich fein abgerundeten Skizzen mit angehaltenem Atem. Grazie und Tiefsinn, Anmut und Würde, Originalität, die nicht sucht und hascht und tastet, sondern im Innersten sitzt, spricht aus jeder Zeile dieser seltsamen Begabung.

BERNER „BUND“ [J. V. Widmann]:

 
… der hervorstechendste Zug in dieser unendlich sensiblen Physiognomie eine sehr nahe an Tragik streifende Furcht vor den Zudringlichkeiten des Lebens ist. Eine freilich mit Abwehr gewappnete Furcht. Aber in der nervösen, obwohl nie ungraziösen Heftigkeit der Abwehr liegt manchmal geradezu der Ausdruck des Schreckens wie vor dem Schild mit dem Gorgonenhaupt.

NEUE BADISCHE LANDESZEITUNG:

 
Dies Büchlein liest sich angenehm, als ob man einem guten Erzähler zuhörte, es ist so witzig, dass die Lektüre öfters von lautem Lachen unterbrochen wird.

ÖSTERREICHISCHE RUNDSCHAU [Annette Kolb]:

 
Die Grazie! — Sie ist eine so seltene Blüte im deutschen Dichterhain, sie ist so ernst und zart und hängt so steil! Und die Grazie könnte Frau Godwin noch weit über sich selbst hinausführen. Denn in dieser Hinsicht ist ihr Buch verheißungsvoll und bemerkenswert.

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Author: Andreas Schüler

Geboren 1970 · Aufgewachsen in Nordhessen · Studium in Frankfurt und Halle · Lebt und arbetet in Berlin · Stationen als Ghostwriter, Konzepter, Art Director, Onlineredakteur, Creative Director, Head of Content, Head of Marketing. Vater von zwei Söhnen.

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