Catherina Godwin – Des bewegten Lebens erster Teil

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Das bewegte Leben der Catherina Godwin

Erster Teil: Kindheit, Jugend, gescheiterte Ehe

Catherina Godwin wird am 12. Mai 1884 in Straßburg als Emmie Clara Studemund geboren. Sie ist die zweite Tochter des berühmten Altphilologen Prof. Dr. Adolph Friedrich Wilhelm Studemund († 3.7.1843 in Stettin, † 8.8.1889 in Breslau) und seiner zweiten Ehefrau Marie, geb. Wurster (* 23.8.1858 in Weidenthal, † 14.1.1941 in Baden-Baden). Professor Studemund hat trotz seines geringen Alters bereits eine beachtliche Gelehrtenkarriere hinter sich: Abitur mit 17, Doktor mit 21, dann vier Jahre im Auftrag Theodor Mommsens in Italien, außerordentliche Professur an der Universität Würzburg mit 25, Ordinarius an der Universität Greifswald im Folgejahr. Zum Zeitpunkt von Emmies Geburt leitet der Vater das Philologische Institut der Universität Straßburg. Franz Blei wird später über Emmie sagen: Sie ist auf einem Schreibtisch zur Welt gekommen. Ob er das im übertragenen Sinne oder wörtlich meinte, bleibt leider im Dunkeln – dass es eine Hausgeburt war, ist auf jeden Fall verbrieft.

Wilhelm Studemunds erste Ehe mit der Greifswalder Kaufmannstochter Marie Springborn (* 1848) war kinderlos geblieben, die junge Frau war am 27. Dezember 1880 in Straßburg verstorben. Am 29. April 1882 heiratet Studemund erneut. In der Stuttgarter Stiftskirche gibt er der Fabrikantentochter Marie Wurster das Jawort. Ein knappes Jahr nach der Hochzeit bringt Marie II in Straßburg eine Tochter zur Welt, die ebenfalls auf den Namen Marie getauft wird (Marie Elisabeth Auguste Studemund, * 10.3.1883 in Straßburg, † 7.1.1909 in Neuilly-sur-Seine). Ein weiteres Jahr später erblickt Emmie das Licht der Welt.

1885, Emmie ist gerade ein Jahr alt, gibt Studemund seine Tätigkeit in Straßburg auf und übernimmt die Leitung des Philologischen Seminars an der Universität Breslau. Drei Jahre darauf, im Frühjahr 1888, erkrankt er an Krebs. Bereits in der Straßburger Zeit hatte er sich eine Geschwulst an der Carotis operativ entfernen lassen. Nun kehrt die Krankheit zurück, ein Breslauer Arzt diagnostiziert einen Glomus-Tumor. Studemund begibt sich zu seinem Schulfreund Prof. Dr. Ernst Küster, zu dieser Zeit Leiter der Chirurgie im Kaiserin-Augusta-Hospital am Invalidenpark in Berlin. Küster operiert noch am selben Tag, eine zweite Operation folgt kurz darauf. Die Kollegen in Breslau erhalten telegrafisch Botschaft, dass die Operation vollkommen geglückt sei.

Einige Wochen erholt sich Studemund in Berlin, ab dem 21. August reist er mit seiner Frau und den Kindern nach Kreuznach, wo eine Tante seiner Frau lebt. Am 29. September kehrt die Familie nach Breslau zurück. Voller Zuversicht und Tatendrang nimmt Studemund seine Arbeit wieder auf, mit Beginn des Wintersemesters hält er auch wieder Vorlesungen; doch bereits Heiligabend ist die nächste Operation fällig, und Anfang 1889 steht fest, dass Wilhelm Studemund sterben wird. Seine Frau Marie übernimmt selbst die schwere Pflege, in den letzten Monaten unterstützt von ihrer Schwester Emilie, einer erfahrenen Krankenpflegerin.

Der Kranke besteht darauf, dass seine kleinen Töchterlein stets um ihn sind, während er sich fieberhaft der Fertigstellung seiner begonnenen Werke widmet. Nebenbei ordnet er seine Verhältnisse und sorgt gemeinsam mit seiner aus Stettin angereisten Mutter dafür, dass seine „heiss geliebte Gattin und die beiden lieblichen Kinder, die er so bald verlassen sollte“ (A. Rossbach) bestens abgesichert sind. Bis zum letzten Atemzug arbeitet er wie besessen. Noch kurz vor seinem Tod wird er zum Wirklichen Geheimen Regierungsrath und zum correspondirenden Mitglied der K. Akademie der Wissenschaften in Berlin ernannt. Anfang August stellt sich eine Lungenentzündung ein, am 8. August 1889 entschläft Adolph Friedrich Wilhelm Studemund mit dem Korrekturandruck seines letzten Lehrprogramms in den Händen.

Marie und Emmie werden sieben- bzw. sechsjährig zu Halbwaisen. Die junge Witwe versieht den Nachlass ihres Mannes und sorgt dafür, dass seine Bibliothek und seine wissenschaftlichen Arbeiten in die richtigen Hände geraten. Der preußische Staat – wohl in Gestalt von Studemunds langjährigem Freund und Gönner, dem Ministerialdirektor Friedrich Theodor Althoff – erweist sich als dankbarer Abnehmer, 1891 wird der Studemundsche Bücherbestand der Breslauer Universitätsbibliothek einverleibt. Marie Studemund erhält 14.000 Mark, eine nicht unbedeutende Summe, die nach heutiger Kaufkraft etwa 100.000 € entspricht. Da Wilhelm Studemund einmal geäußert hat, er habe Angst, allein in Pommern bleiben zu müssen, lässt die Witwe seinen Leichnam von dem halleschen Mediziner Wilhelm Roux nach dessen neuartigem Verfahren der„Injektion“ einbalsamieren, um ihn in ihre Heimat überführen zu können. Es scheint jedoch nicht dazu gekommen zu sein; denn am 11. August findet, von einem unüberschaubaren Leichenzug begleitet, die Erdbestattung auf dem Kirchhof der Bernhardin-Gemeinde vor dem Ohlauer Tor in Breslau statt (das Grab wird in den letzten Kriegsmonaten im Verlaufe der russischen Bombardements vernichtet, erst Anfang des 21. Jahrhunderts werden einige Idealisten in privater Initiative den Versuch unternehmen, mit den verbliebenen Trümmern der Grabsteine eine Art Gedenkstätte zu schaffen).


Kurzes Intermezzo: Marie Studemunds Ehe mit Wilhelm Filehne

Marie Studemund bleibt vorerst in Breslau. Am 8.3.1892 heiratet sie erneut einen angesehenen Wissenschaftler: den Pharmakologen und Leiter des pharmakologischen Seminars der Universität Breslau, Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Wilhelm Filehne (1844–1927). Die Trauzeugen sind der Pathologe Emil Ponfick, zur Zeit der Eheschließung Rektor der Breslauer Universität, und der Mediziner Theodor Poleck, der zum Zeitpunkt von Wilhelm Studemunds Tod ebenfalls Rektor war.

Diese zweite Ehe ist von kurzer Dauer: Schon im Dezember desselben Jahres verhandelt die Erste Civilkammer des Königlichen Landgerichts zu Breslau die Scheidungssache, und mit Urteil vom 13. Dezember 1892 wird die Ehe wieder geschieden. Es wäre interessant, die Gründe zu erfahren – die Zivilehe war im Preußen des Jahres 1892 eine sehr junge Einrichtung, sie existierte erst seit drei Jahren. Scheidungen waren durchaus nicht an der Tagesordnung und juristisch überhaupt nur auf der Grundlage eines Ehebruchs oder einer anderen schwerwiegenden, schuldhaften Verletzung des Ehegelöbnisses zulässig (andere Ehehindernisse hätten keine Scheidung, sondern eine Aufhebung der Ehe nach sich gezogen). Braut oder Bräutigam scheinen sich also eine gröbere Verfehlung zuschulden kommen lassen zu haben. Leider zählt jedoch die Gerichtsakte mit der Nummer Breslau 1892 IIa R. 140.92./10351. zu den Jahrgängen, die im zweiten Weltkrieg vernichtet wurden.

Einen gemeinsamen Haushalt haben Marie Studemund und Wilhelm Filehne wohl nicht geführt, Marie bewohnte weiterhin die große Wohnung im ersten Stock der Sandstraße 12 – während der kurzen Ehe und darüber hinaus, bis zum Wegzug aus Breslau. Auch den Namen Filehne-Studemund behielt sie in der Breslauer Zeit bei. Ob weiterhin Kontakt bestand, war nicht zu ermitteln. Wilhelm Filehne heiratete 1914 die Witwe des Mathematikers Paul Gordan, Marie Wurster blieb für den Rest ihres Lebens unverheiratet. Seine kurze Ehe mit Marie Studemund war der Forschung bislang verborgen geblieben und wird hier erstmals publiziert.

Sandstrasse 12 am Ritterplatz in Breslau (im zweiten Weltkrieg zerstört).

Beste Lage: Sandstrasse 12 in Breslau, damals direkt neben dem alten Zeughaus am Ritterplatz, das 1906 der Markthalle am Ritterplatz wich. Das Haus existiert heute nicht mehr, das Viertel wurde im zweiten Weltkrieg fast komplett zerstört.

 

Im Jahr 1896 finden wir Marie Studemund wieder mit ihren halbwüchsigen Töchtern in Straßburg. Sie zieht zunächst bei ihrer Mutter am Universitätsplatz 3 ein, im Folgejahr bezieht sie eine Neubauwohnung in der Fischartstraße 14. Die elsässische Universitätsstadt, seit 1871 zum Deutschen Reich gehörend, platzt zu dieser Zeit aus allen Nähten – zwischen 1871 und 1914 wird sich die Bevölkerung von 85.000 auf 180.000 mehr als verdoppeln. Nach der Volksschule dürften Marie und Emmie hier eine höhere Schule besucht haben, mit einiger Wahrscheinlichkeit die nahegelegene Höhere Mädchenschule (das heutige Lycée International des Pontonniers, vor Einweihung des spektakulären Neubaus im Jahr 1903 noch im alten Andlauerhof in der Schreiberstubgasse / Rue des Écrivains). Man wohnt in zwei benachbarten Neorenaissance-Neubauten vis à vis der Staatsbibliothek, beste Lage im akademischen Viertel und keine 200 Meter von der Universität entfernt. Aus ihrem Eckfenster kann Emmie den Haupteingang der psychologischen Fakultät sehen. Sie besucht Bälle, erfreut sich der Aufmerksamkeit fescher Lieutenants und genießt es, wenn Mama die Verehrer freundlich in die Wüste schickt: „Meine Tochter ist noch viel zu jung und es tut uns sehr leid, gerade weil wir Sie so besonders schätzen.“


Früher Kontakt zur Psychologie: Marie und Emmie heiraten Mediziner

In diesem Umfeld finden die beiden Schwestern ihre Ehepartner. Am 13.8.1904 heiratet Marie den französischen Psychiater und Neurologen Prof. Dr. Félix-Albert Devaux. Devaux zählt zu den Begründern der modernen klinischen Psychiatrie. Er ist ein Schüler des berühmten Ernest Dupré und hat es bereits während seines Studiums zum Leiter des Labors der Faculté de Paris gebracht. Während seines Studiums kommt er nach Heidelberg, wo er als Assistent von Franz Nissl in der psychiatrischen Klinik des späteren Nobelpreisträgers Emil Kraepelin arbeitet. Seinem Vortrag im Frühjahr 1903 ist es zu verdanken, dass die deutschen Forscher die Bedeutung der Lumbalpunktion für die psychiatrische und neurologische Diagnostik erkennen. 1907 überträgt er gemeinsam mit Benjamin Logre Kraepelins Werk als erster ins Französische („Introduction à la psychiatrie clinique, par Emil Kraepelin,[…] traduite sur la 2e édition allemande. Par MM. Albert Devaux et Prosper Merklen, préface de M. le Dr Dupré.“ Paris, Vigot Frères 1907). Später zählte Albert Devaux als angesehener Wissenschaftler und Arzt der haute volée zu den führenden Medizinern im Paris der Belle Époque. Eine gewisse Berühmtheit erlangte er vor allem als Freund und Leibmediziner hochrangiger Personen wie Joseph Caillaux und Königin Marie von Rumänien sowie als Chef des medizinischen Dienstes der Weltausstellung. In den frühen 1930ern war er Chefarzt am Sanatorium de Malmaison in Rueil, 1936 gründete er die Clinique Médicale de Ville d’Avray. Er starb 1951 in Golfe-Juan an der Côte d’Azur.

Maison d'Hydrothérapie et de Convalescence du Parc de Neuilly – Grand Hôtel

Maison d’Hydrothérapie et de Convalescence du Parc de Neuilly – Grand Hôtel

Zur Zeit der Eheschließung ist Albert Devaux Miteigentümer und medizinischer Leiter der „Maison d’Hydrothérapie et de Convalescence du Parc de Neuilly“, einer hochangesehenen Klinik für die Haute Societé im Pariser Nobelvorort Neuilly-sur-Seine. Gemeinsam mit Louis Bour hat er das elitäre Gebäudeensemble mitten im Park von Paul-Amédée Accolas für den Spottpreis von 300.000 Francs gekauft.

Das Grand Hôtel (6, blvd. du Château) aus einem anderen Blickwinkel

Das Grand Hôtel (6, blvd. du Château) aus einem anderen Blickwinkel

(Das Gebäude wurde 1929 geschleift, an seiner Stelle entstand das berühmte Hôtel Lambiotte, eine Ikone der modernen Architektur.)

Gilbert DevauxMarie zieht nach Neuilly-sur-Seine und bringt dort einen Sohn zur Welt, der später zu einer der zentralen Figuren der französischen Wirtschaftspolitik werden soll: Gilbert Walter Devaux (1906–1981), hochrangiger Finanzpolitiker (unter anderem Directeur du Budget) in der IV. und V. Republik – doch das ist eine andere Geschichte …


Frau Dr. de Vargas

Im Jahr nach Maries Hochzeit vermählt sich auch Emmy, ebenfalls mit einem Mediziner: Am 23.11.1905 heiratet sie den kolumbianischen Arzt, späteren Universitätsprofessor und Diplomaten Jorge Vargas Suárez (1874–1935).

Vargas Suárez entstammt einer prestigereichen aristokratischen Medizinerfamilie. Sein Großvater Léon Vargas war der erste Chirurg, der Kataraktoperationen in Kolumbien durchführte. Sein Vater ist der Diplomat und Pharmazeut Dr. Jorge Vargas Hérédia, sein Großvater der berühmte Chirurg Dr. Jorge Vargas Nieto, Leibarzt von General Santander und Mitbegründer der Pequeña Cirúgia in Bogotá. Auch die Mutter kommt aus bestem Hause, sie ist eine Enkelin des französischen Generals Louis Perou Delacroix, der am Russlandfeldzug Napoleons teilgenommen, später unter Simon de Bolivar gekämpft und sich in Kolumbien niedergelassen hatte.

Jorge Vargas-SuárezJorge Vargas Suárez hat ab 1893 in Bogotá ein Medizinstudium absolviert, das er 1899 mit dem Doktorgrad gekrönt hat. Nach einem Besuch bei seinen Eltern in den USA (sein Vater lebt als Pharmazeut und kolumbianischer Vizekonsul für Massachusetts, Maine, New Hampshire und Vermont in Boston), reist er im Sommer 1899 nach Europa. Wie viele seiner Zeitgenossen will er seine Kenntnisse an den angesehensten Universitäten vertiefen. Er studiert zunächst in Berlin, wo er unter Virchow an der Charité arbeitet. Im Sommersemester 1902 immatrikuliert er sich in Leipzig, begibt sich aber dann nach Paris, wo er bei Widal und Ravaut die Technik der Lumbalpunktion erlernt. Dort lernt er auch Albert Devaux kennen, Emmys künftigen Schwager, der zu dieser Zeit unter Ernest Dupré am Hôpital Laënnec arbeitet. Ab dem Wintersemester 1902/03 ist Vargas in Heidelberg immatrikuliert. Dort trifft zum Jahresende auch Devaux ein, um die Stelle des Laborleiters bei Franz Nissl in der Klinik des späteren Nobelpreisträgers Emil Kraepelin zu übernehmen. Wenige Tage nach der Hochzeit mit Emmy legt Jorge Vargas Suárez bei Wilhelm Erb, dem Leiter der Heidelberger Neurologie, seine zweite Dissertation mit einer Arbeit über Cytodiagnostik vor („Über Ursprung und Bedeutung der in Pleuraergüssen vorkommenden Zellen“, Diss. Heidelberg, Ref. Erb, 17. November 1905).

Am 7. Januar 1909 stirbt Marie Auguste Elisabeth Devaux née Studemund im Alter von 25 Jahren, die Todesanzeige im Le Figaro lobt ihren Liebreiz. Ihr Leichnam wird zur Beisetzung nach Bad Kreuznach an den neuen Wohnort ihrer Mutter überführt.

Emmys Ehe hat sich in der Zwischenzeit nicht eben vorteilhaft entwickelt. Das junge Paar ist fortlaufend unterwegs. Man lebt in Hotels, und Emmy leidet unter „dem immer falschen Milieu“. Nach nicht einmal zwei Jahren Ehe verlässt Jorge Vargas Suárez seine blutjunge Frau und kehrt nach Kolumbien zurück. Die kurze Ehe wird später den Stoff für Emmys ersten beiden Bücher liefern. Sie zeichnet von Ihrem Mann das Bild eines hypermodernen, eleganten, reichlich blasierten und rücksichtslosen Schürzenjägers – für sie die Verkörperung aller Eigenschaften, die sie an einem Mann liebt.

Erst 1922 erteilt der Heilige Stuhl eine Ehedispens („Studemund de Vargas, Emmy, Nichtigkeitserklärung ihrer Ehe mit Vargas Suarez, Jorge, Professor Dr. med., aus Bogotá/Columbien“. Bayerisches Hauptstaatsarchiv BayHStA, Gesandtschaft Päpstlicher Stuhl 2065.). Jorge, mittlerweile in seinem Heimatland ein hochangesehener Professor, heiratet die junge Adlige Emilia de Brigard Gómez (1892–1929). Er hält weiter enge Verbindungen nach Europa, seine älteste Schwester hat den Leiter der Pariser Polizei geheiratet, auch die Mutter zieht nach dem Tod des Vaters von Boston nach Paris, und seine Nichte Lucia Echeverri de Vargas heiratet einen Bad Homburger Kaufmann. Ende der 1920er wohnen Jorge Vargas Suárez und seine zweite Frau zeitweise in Hamburg. Hier verstirbt Emilia Vargas de Brigard am 29. September 1929 im Eimsbütteler Krankenhaus Elim (Sterberegister Hamburg 20, Nr. 407/1929). Ein Gottesdienst für ihre Seele wird ein Jahr darauf in der Kirche St. Honoré d’Eylau in Paris gehalten (Le Figaro 1930/09/27 – Numéro 270, p2, «Deuils»). Jorge Vargas Suárez stirbt am 27. Februar 1935 in Bogotá als hochangesehener Mann, in einem Nachruf seines berühmten Cousins Tomás Rueda Vargas kommt er deutlich besser weg als in den Büchern seiner Ex-Gattin.


Die Ernte zweier Brüder?

Ein kurzer Beitrag von Catherina Godwin mit dem Titel Konflikt, 1929 in slowenischer Sprache in der Zeitung jutro erschienen, lässt aufhorchen. Wenn man den Inhalt für bare Münze nimmt, könnte er das Geschehen vor Emmys Hochzeit widergeben. Allerdings war sie zur Zeit der Eheschließung nicht siebzehn, sondern einundzwanzig Jahre alt; und ihre Ehe ging zwar nach einem Jahr in die Brüche, ein Richter war jedoch nicht im Spiel. Hier meine Übersetzung – mangels slowenischer Sprachkenntnisse ohne Gewähr:

Nun hatte er einen Bruder, und oft geschah es, dass ich zwischen beiden stand. Während ich mich bald nach rechts, bald nach links neigte, füllte sich mein Herz mit wachselnden Zweifeln, welcher von beiden der Richtige sei – sie glichen sich auf merkwürdige Weise in Worten und Gesten. Auch hatte ich die Wahl: beide waren bereit, mich zu lieben. Doch ich sehe mich noch, siebzehnjährig, voller traditioneller Erwartungen an das gemeinsame Glück mit dem Einen. Ich verzweifelte angesichts des Gebots des Singulars und meines zweigeteilten Herzens. So weckte ich in beiden Hoffnung, lächelte beiden zu, doch heimlich weinte ich – denn ich wusste, dass ich auf den Einen oder den Anderen verzichten musste. Stets glaubte ich, jenen am meisten zu lieben, von dem ich mich eben noch hatte lösen wollen. Und schließlich fand ich die einzige Möglichkeit, diesem Konflikt zu entrinnen: Ich floh zu einem Dritten. Von den ehemaligen Rivalen wurde ich als Dirne, als Bestie, als die Ernte (?) zweier Brüder angesehen, und oft schallte ihr Schritt kalt und fremd an mir vorüber. Sie heirateten zwei Schwestern – meine Ehe jedoch schied nach einem Jahr der Richter.


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Author: Andreas Schüler

Geboren 1970 · Aufgewachsen in Nordhessen · Studium in Frankfurt und Halle · Lebt und arbetet in Berlin · Stationen als Ghostwriter, Konzepter, Art Director, Onlineredakteur, Creative Director, Head of Content, Head of Marketing. Vater von zwei Söhnen.

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