Fife o’clock tea*
von Catherina Godwin
Der junge Mann mit dem Künstlerhut rührt heute mit dem Löffel anders im Kaffee. Er hat etwas.
Der junge Mann mit dem Automobil lehnt sich heute anders in die Polster zurück. Er hat etwas.
Der junge Mann mit dem Profil streicht heute anders das Zündholz an. Er hat etwas.
Der junge Mann mit dem Tennisschläger sagt heute was er hat: Wissen Sie, gnädige Frau, das verträgt doch kein Mann.
Heute gehen Sie mit diesem ins Theater, morgen sieht man Sie mit jenem. Man hat doch auch – Sie müssen verstehen – seinen Stolz und seine Ehrbegriffe, man will doch nicht lächerlich erscheinen.
Da wäre es wohl am besten, ich würde die Herren alle zusammen zum Tee einladen und also sprechen: Meine Herren! Wenn eine einfache Frau einen kleinen Haushalt hat, so hat sie ein Mädchen für alles. Wenn eine nicht ganz einfache Frau einen sehr großen Haushalt hat, so braucht sie sehr viel Personal für ihr Komfort.
Ich sehe mich im Kabaret und mir gegenüber ein wenig abgenützte Züge, ein wenig abgenützte Kleidung, ein wenig abgenützte Seele.
Ich sehe mich in der Oper und neben mir verschwommen mit dem Logenhintergrund einen Frack, daß aufdringlich nur das weiße Vorhemd und das Licht auf dem Monocle reflektiert.
Ich sehe mich im dämmrigen Zimmer und über mir ein aus altrömischen Gemälden im Wunsch lebendig gewordenes Antlitz.
Ich muß angemessen in jeder Situation mich gruppieren.
Und nun meine Herren, wozu Eifersüchteleien? Wo doch jede Rolle erstklassig besetzt ist! Und dieses meine Herren, ist ein Kompliment für Sie.
Jedoch verlasse jeder seine Stellung, wann er will. Es schließen sich die Pforten geräuschlos hinter ihm und ein Erfreuter nimmt, in tiefster Ehrfurcht den Hut ziehend, diensteifrig seinen Platz ein.
Wir wissen es doch alle, meine Herren, daß keiner von Ihnen einen Lohn bekommt und wenn Sie auch eventuell renommieren sollten, daß Sie ihn doch erhalten hätten, so seien Sie überzeugt, daß Personalgeklatsche mich nicht berührt, so lange ich mit den Leistungen zufrieden bin.
Und nun, meine Herren, das alles hätte ich Ihnen gerne mitgeteilt, wenn es nicht mein striktes Prinzip wäre, einfach zu sagen:
Babette, kochen Sie mir Kamillentee
und nicht:
Ach bitte, Babette, kochen Sie mir doch Kamillentee, denn ich habe heute nach dem Mittagessen etwas Magenschmerzen.
(In: Begegnungen mit Mir. München, Hyperion Verlag 1910, S. 104 f.)
* Fehlschreibung ‘Fife’ gemäß Original.