Catherina Godwin – Immer wieder Ich und Ich
Die vergessene Expressionistin
Vor einiger Zeit stieß ich auf eine zu Unrecht vergessene Autorin aus dem Münchner Dunstkreis um Erich Mühsam, Richard Altenberg, Klabund, Franz Blei und Konsorten, die unter dem Namen Catherina Godwin schrieb. Frau Godwin ist es wert, dass man ihr etwas Aufmerksamkeit widmet. Mit ihrem Erstlingswerk Begegnungen mit mir, erschienen 1910 bei Hans von Weber in München, dessen Konto ihre Entdeckung gutzuschreiben ist, verursachte die junge Intellektuelle nachhaltigen Wirbel. In der Folgezeit war sie eine feste Größe im literarischen Betrieb des ausgehenden Kaiserreichs und der Weimarer Republik; heute würde man sie wohl als „Edelfeder“ bezeichnen. Doch trotz ihres skandalträchtigen Stils, trotz ihres Gespürs für Publicity und Selbstinszenierung und trotz ihrer glamourösen Präsenz in der Münchener Bohème ist Catherina Godwin heute so vollständig vergessen, dass den meisten Quellen nicht einmal ihr Geburtsname oder ihr Sterbedatum bekannt war (sämtliche Nennungen dieser Daten in der Literatur erfolgten nach Erscheinen dieses Blogs und des darauf basierenden Wikipedia-Artikels).
Die einzige Publikation, die Catherina Godwins Lebensweg ein wenig genauer auf den Grund geht, war ein wunderbarer Rundfunkbeitrag von Dr. Monika Dimpfl, der 1980 in der Reihe Land und Leute im Bayerischen Rundfunk ausgestrahlt wurde. Frau Dr. Dimpfl hat gründlich gearbeitet, ihr habe ich neben ersten Informationen zum Werdegang Catherina Godwins in den Dreißigerjahren auch einen Hinweis auf die wahre Identität der vergessenen Expressionistin zu verdanken – sie gibt im Manuskript den korrekten Geburtstag 12. Mai 1884 sowie den Geburtsnamen Studemund an. Auch Frau Dr. Dimpfl ist diesem Hinweis seinerzeit nicht auf den Grund gegangen und hat den Lebensweg Catherina Godwins nicht bis zum Ende verfolgt; und so waren Herkunft und Lebensdaten der Schriftstellerin über hundert Jahre lang ein ungelüftetes Geheimnis, bis ich Anfang 2015 in Archiven in Baden-Baden, Straßburg und Breslau die erforderlichen genealogischen Dokumente fand, um die Identität von Catherina Godwin mit Emmie Clara Studemund, der zweiten Tochter des Altphilologen und Geheimrats Adolph Friedrich Wilhelm Studemund, nachzuweisen. Es handelt sich also bei diesem Blogartikel, der auch die Grundlage für den Eintrag Catherina Godwin auf Wikipedia darstellt, um originäre Forschungsergebnisse. Im Folgenden will ich den Versuch einer wenngleich sehr lückenhaften Biographie unternehmen.
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