Emilie Wurster (1864–1912)

Emilie Wurster

* 20.06.1864 · † 7.12.1912

––– Catharina Godwins Tante Emilie war eine Tochter aus gutem Hause, weitgereist und sprachgewandt, die ihr Leben der Pflege seelisch Kranker widmete, bis sie selbst zur Patientin wurde und in der Landesirrenanstalt Illenau starb …

Emilie Wurster wurde am 20. Juni 1864 in Straßburg im Elsass geboren. Sie war das fünfte Kind des Tuchfabrikanten Ludwig Wilhelm Gottlieb Wurster aus Wangen/Stuttgart und seiner Ehefrau Elisabeth Wagner aus Weidenthal. Sie war eine Tante mütterlicherseits von Catherina Godwin.

Emilie Wurster besuchte in Straßburg zunächst eine Kinderschule, dann ein Privatpensionat und zuletzt die Höhere Töchterschule. Als sie 13 Jahre alt war, starben ihre kleinen Brüder Rudolf und Hugo vier- und dreijährig an Masern.

Mit 16 Jahren wurde sie in ein Pensionat in Lausanne geschickt, wo sie 1881/82 auf die Ehe vorbereitet wurde. 1883 zog sie zunächst wieder zu ihren Eltern, die zu dieser Zeit in Stuttgart wohnten. Im Folgejahr begab sie sich mit ihrem Bruder Louis Wurster zur Ausbildung in die USA. Sie bereiste dort den gesamten mittleren Westen, kehrte nach 18 Monaten allein nach Deutschland zurück und zog wieder zu ihren Eltern, die nun in Baden-Baden wohnten. In der Folgezeit hielt sie sich hauptsächlich bei ihren Geschwistern in Straßburg und Breslau auf. 1889 unterstützte sie ihre Schwester Marie Studemund bei der Pflege ihres krebskranken Mannes Wilhelm Studemund, bei dessen Tod sie anwesend war. Als ihr Vater Ludwig Wilhelm Gottlieb Wurster Anfang 1890 starb, beorderte die Mutter sie telegrafisch zurück nach Baden-Baden. Im Folgejahr zogen beide nach Straßburg, wo sie gemeinsam wohnten bis sie 1907 ebenfalls gemeinsam nach Baden-Baden zogen.

1902 hatte sich Emilie Wurster nach Bern begeben, um in der kantonalen Irrenanstalt bei Prof. Dr. von Speyer die Krankenpflege zu erlernen – vor allem in der Hoffnung, sich dort von ihren Selbstmordgedanken befreien zu können. Sie blieb etwas über ein Jahr dort und war unter anderem als Pflegerin in der Psychiatrie beschäftigt. Später arbeitete sie zeitweise bei Otto Binswanger, der sie in der Psychiatrie in Bellevue (in Kreuzlingen, Schweiz) einsetzte, sowie nach Berlin zu Prof. Lähr in dessen Klinik „Schweizerhof“ (am Treptower Damm in Zehlendorf).

Offenkundig brach in der Berner Zeit Emilie Wursters Schizophrenie-Erkrankung erstmals aus; als sie zurückkehrte, brachte sie einen Geist namens Xoize mit, der ihr Befehle erteilte und dem sie gehorchte. Xoize war der oberste Gralshüter; auch sie selbst gehörte mit wenigen zumeist prominenten Auserwählten zur Gemeinschaft des Grals. Das böse Element verkörperte Dr. Félix-Albert Devaux in Neuilly-sur-Seine, der Ehemann ihrer Nichte Marie. Es erscheint bizarr, dass eine offenbar psychisch stark beeinträchtigte Frau mit heftigen Schizophrenie-Schüben von drei der angesehensten Nervenärzte ihrer Zeit als Psychiatriepflegerin eingesetzt wurde.

Noch bizarrer allerdings stellt sich der Tod der Emilie Wurster dar. Am 22. November 1912 wird sie von ihrer mittlerweile 78-jährigen Mutter in die Heilanstalt Illenau bei Achern im Ortenaukreis eingeliefert, dort stirbt sie am 7. Dezember 1912. In ihrer Krankenakte findet sich eine detaillierte Beschreibung ihrer Geistesstörung. Sie versuchte unter anderem, durch die Leberwurst am Frühstückstisch Kontakt zu ihrem verstorbenen Bruder Louis aufzunehmen.

Mehrmals erwähnt der protokollführende Mediziner: „abscheulicher fetor ex ore“. Auch dass Emilie fast keine Nahrung zu sich nimmt, wird säuberlich vermerkt. Dennoch kommt keiner der renommierten Mediziner auf die Idee, dem entsetzlichen Mundgeruch und der Appetitlosigkeit der Patientin auf den Grund zu gehen. Erst bei der Obduktion kommt heraus, dass Emilie Wurster eine eitrige Zyste im Mundraum hatte und an einer Blutvergiftung starb. Die Mutter sagt auf Nachfrage, dass sie von der Zyste weiß; Emilie war vor der Einlieferung in die Illenau bei einem Baden-Badener Arzt in Behandlung gewesen. Es ist kaum vorstellbar, welche Qualen die Ärmste in den letzten Wochen vor ihrem Tod ausgestanden haben muss.

Emilie Wurster wurde in Baden-Baden bestattet, ihre Schwester Marie wurde 1941 im selben Grab beigesetzt.

Eltern:

 
Ludwig Wilhelm Gottlieb Wurster
* 27.06.1820 in Wangen/Stuttgart
† 14.01.1890 in Baden-Baden

Elisabeth Wagner
* 16.09.1834 in Weidenthal
† 17.09.1926 in Baden-Baden

Geschwister:

Author: Andreas Schüler

Geboren 1970 · Aufgewachsen in Nordhessen · Studium in Frankfurt und Halle · Lebt und arbetet in Berlin · Stationen als Ghostwriter, Konzepter, Art Director, Onlineredakteur, Creative Director, Head of Content, Head of Marketing. Vater von zwei Söhnen.

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