Dr. Casimir Wurster
* 07.08.1854 · † 29.11.1913
Casimir Wurster wurde am 7. August 1854 in Weidenthal bei Neustadt an der Weinstraße geboren. Er war das zweite Kind des Tuchhändlers Ludwig Wilhelm Gottlieb Wurster aus Wangen/Stuttgart und dessen Ehefrau Elisabeth Wagner aus Weidenthal. Er war ein Onkel mütterlicherseits der Schriftstelerin Catherina Godwin.
Casimir Wurster besuchte das Kaiserliche Lyceum in Straßburg bis zur Obersekunda. Als sein Vater Ludwig Wurster bei der Schlacht bei Wörth am 6. August 1870 in seiner Fabrik ein Lazarett einrichtete, half Casimir als sechzehnjähriger Schüler bei der Bergung und Überführung der Verwundeten beider Lager und rettete damit zahlreichen deutschen und französischen Soldaten das Leben. Als sein Vater die Tuchfabrikation um 1873/74 auflöste und das Werk zur Neuen Papiermanufaktur in der Ruprechtsau umrüstete, hatte Casimir Wurster Gelegenheit, sich auch mit den Prozessen und Technologien der Papierfabrikation gründlich vertraut zu machen. Weitere Einblicke gewann er vermutlich auch in Lambrecht und Weidenthal bei Neustadt an der Haardt (Neustadt a. d. Weinstraße), wo die Familie seiner Mutter an mehreren Tuch- und Papierfabriken beteiligt war (C. Wagner & Wurster, Alte Maschine, Schlossmaschine, Neue Maschine, Färberei, Walkmühlengesellschaft, Knöckel’sche Maschinenpapierfabrik). 1888 war sein Onkel Casimir Wagner außerdem Mitbegründer der Papierfabrik Knöckel, Schmidt & Cie, die über 100 Jahre lang erfolgreich arbeitete, zuletzt zum Cordier-Konzern gehörte und erst im Jahr 2000 aufgrund Insolvenz die Produktion einstellte.
Er studierte dann Chemie zunächst in Straßburg, später auch in Stuttgart und Heidelberg sowie Zürich, wo er 1875 promoviert wurde. In der Folge war er als Privatdozent am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich tätig. Er wurde Assistent von Viktor Meyer, mit dem er über die Nitroverbindungen der Fettreihe forschte, und führte mit seinen Schülern Untersuchungen über die Konstitutionsermittlung von Stoffen der aromatischen Reihe wie Dibrombenzol und Bromanilinen durch. 1876 siedelte er für kurze Zeit nach Paris über, im Folgejahr war er Assistent bei Fittio in Straßburg und 1878 bei Adolf von Baeyer in München.
Ebenfalls im Jahr 1878 veröffentlichte Casimir Wurster eine bahnbrechende und von der Industriellen Gesellschaft in Mulhouse prämierte Preisschrift über die Papierleimung mit Harz (Le collage du papier), in der er nachwies, dass nicht wie bis dahin angenommen das Tonerderesinat, sondern die freien Harzsäuren zur Verkittung der Papierfasern führen. Die Firma John Dickinson und Co. beauftragte später ihren Chefchemiker Adolf Scheufelen, der später die berühmte Papierfabrik Scheufelen gründete, Wursters theoretische Ergebisse in ein praktisches Verfahren zu übersetzen. Scheufelen entwickelte daraufhin eine von Wurster abweichende Methode zur genauen Bestimmung des Freiharzgehaltes und die beiden Chemiker führten darüber einen lebhaften Diskurs in der Papierzeitung. Als Scheufelen im Jahr 1888 Dickinson verließ, empfahl er dem Unternehmen, Wurster als Nachfolger zu verpflichten, was dann auch geschah. Darüber hinaus entwickelte er in München auf Basis aromatischer Basen wie Nitrodimethylanilin, Dimethyl-p-phenylendiamin und Tetramethyl-p-phenylendiamin neue Methoden zum Nachweis und zur colorimetrischen Bestimmung von Holzschliff im Papier. Die Indikatoren Di- und Tetra-Papier fanden unter dem Namen Wursters Reagens verbreitete Anwendung.
Von 1886 bis 1889 forschte Wurster in der Gad’schen Abteilung des physiologischen Instituts der Universität Berlin an physiologischen Themen wie der Eiweißoxydation mit salpetriger Säure und Wasserstoffsuperoxyd und dem Nachweis von aktivem Sauerstoffs in lebenden Organismen. Seine Arbeiten erschienen fast ausnahmslos in den Berichten der Deutschen Chemischen Gesellschaft.
Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit war Wurster international als technischer Chemiker in führenden Unternehmen der Papierindustrie tätig, so von 1883 bis 1889 als leitender Chemiker der Buntpapierfabrik DeJonge in New York sowie im Anschluss als technischer Berater der Buntpapierfabriken Dickinson in London. Während der New Yorker Zeit dürfte er ein enges Verhältnis zu seinem dort lebenden Bruder Louis gepflegt haben – Louis war in der Folgezeit mit der Familie DeJonge eng befreundet.
In jungen Jahren hatte sich Casimir Wurster als Kunstsammler betätigt und eine bedeutende Sammlung von Werken deutscher, niederländischer, flämischer und französischer Meister des 16. bis 19. Jahrhunderts zusammengetragen. Im Juni 1896 ließ er in einer dreitägigen Auktion im Kölner Auktionshaus Heberle 460 Bilder versteigern. Der Katalog zu dieser Auktion ist als Digitalisat bei archive.org verfügbar.
Neben der Chemie entwickelte Casimir Wurster zahlreiche verfahrenstechnische Neuerungen für die Zerfaserung von Papierbrei, auf die er eine Reihe internationaler Patente hielt. 1901 brachte er den Wurster’schen Zerfaserer auf den Markt. Die Maschine ermöglichte die Zerkleinerung und Verwertung aller Abfällen aus der Zellstoff-Produktion Um 1903 zog er nach Dresden, wo er als Mitbegründer des Vereins der Zellstoff- und Papierchemiker auch in der Verbandsarbeit sehr aktiv war. Der Verkauf des Zerfaserers entwickelte sich in der Zwischenzeit glänzend, von 1901 bis 1906 setzte Wurster über 300 Maschinen ab. Gleichzeitig trieb er die Entwicklung weiter voran, verbesserte die Maschine laufend und führte in der internationalen Fachpresse einen lebhaften Diskurs mit seinen Bewunderern und Gegnern.
Von Anfang 1907 bis März 1908 hielt sich Casimir Wurster in Paris auf, wo er bei seiner Nichte Marie-Elisabeth Devaux in der «Maison d’hydrothérapie et de convalescence du Parc de Neuilly» (6, boulevard du Château, Neuilly-sur-Seine) wohnte, die gerade ihren Sohn Gilbert Walter Devaux zur Welt gebracht hatte.
Möglicherweise waren zunehmende gesundheitliche Probleme ein Grund dafür, dass Casimir Wurster die Klinik als dauerhaften Aufenthalt wählte. Die «Maison d’hydrothérapie» war eine der ersten Adressen der Hauptstadt, und der Besitzer, Marie-Elisabeths Ehemann Albert Devaux, genoss ebenso wie seine Compagnons René Charpentier und Louis Bour einen hervorragenden Ruf. Seine rege Geschäftstätigkeit hielt Wurster jedenfalls weiterhin aufrecht. In Zeitungsanzeigen für seinen „Wurster’schen Zerfaserer“ ist die Adresse der Klinik als Kontaktadresse aufgeführt.
Ab April 1908 war Wurster wieder in Deutschland, am 15. September kaufte er eine stillgelegte Papierfabrik im sächsischen Heidenau und nahm sie wieder in Betrieb, um seinen Zerfaserer, der die Abfälle mechanischer Zellstoffmühlen in guten Zellstoff verwandeln konnte, in der Praxis zu demonstrieren. Das Unternehmen sollte zum finanziellen Fiasko geraten, das Wurster fast sein gesamtes Vermögen gekostet hätte.
Nachdem er schon längere Zeit mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte, verstarb Casimir Wurster am 29. November 1913 in Dresden im Alter von 59 Jahren infolge eines Herzinfarkts. Er hinterließ keine Nachkommen. Sein Nachlass ging in den Besitz der Deutschen Chemischen Gesellschaft in Berlin über. Sämtliche Nekrologe auf Casimir Wurster heben neben seinem Humor vor allem seine große Hilfsbereitschaft und Selbstlosigkeit hervor.
Eltern:
Ludwig Wilhelm Gottlieb Wurster
* 27.06.1820 in Wangen/Stuttgart
† 14.01.1890 in Baden-Baden
Elisabeth Wagner
* 16.09.1834 in Weidenthal
† 17.09.1926 in Baden-Baden
Geschwister:
- Louis Wurster (1853–1898), ohne Nachkommen
- Elisabeth Charlotte von Landwüst (1856–1922), ohne Nachkommen
- Marie Studemund (1858–1841), zwei Töchter
- Theophil Wurster-Wester (1860–1907), ohne Nachkommen
- Emilie Wurster-Wester (1864–1912), ohne Nachkommen
- Erard Wurster-Wester (1868–1937), ohne Nachkommen
- Rudolf Friedrich Carl Wurster (1875–1879), als Kind an Masern gestorben
- Hugo Wurster (1876–1879), als Kind an Masern gestorben