Hyazinth. Novelle von Catherina Godwin.

Hyazinth, der Echte, war nach seiner Begegnung mit Fea weit gewandert. Er traf eine Karawane, die ihn gerne mitnahm, denn er kannte die Gegend, kannte die Tierwelt, die er nicht fürchtete. Oft wähnte er, er trüge einen heimlichen Taisman, der ihn in der Wildnis schützte. Er hatte die Gabe, Quellen aufzuspüren, unbekannten Oasen ritt er zielsicher zu, er witterte Gefahren und verstand es, die Feinde abzuwehren. Wie das alles geschah, fragte er sich nicht. Geheimnisse ergründen, heißt ihre Formel nennen, und alle Formel muß geheim bleiben, wenn sie wirken soll.

Hyazinth hatte auf seiner neuen Fahrt einen reichen Kaufmann zu behüten, der von weither mit Edelsteinen kam. Hyazinth versenkte die Hände in das leuchtende Geschmeide. Ihn dünkte es, das Licht der Sonne und des Mondes habe sich in dem Glanze verfangen. er versuchte ganz still in sich zu werden, bis jeder Gedanke in ihm schwieg, und dann dachte er, er wäre der leuchtende Diamant, der durch Jahrtausende das Licht in seinen Atomen fing. In stiller Nacht begriff er, daß es ferne, innere Wesenheiten gibt, die das Licht ihrer Gedanken einem anderen leihen. Also erblühte in den irdischen Individuen die göttliche Inspiration.

Hyazinth nahte die Idee, der Gott sei nicht in sich, sei darum nie begegnet, weil er ganz verströmt ist und geschenkt an alle. Und er sei in allem Lebenden lebendig und ziehe so, ein Wanderer, als Teil durch alle Teile, die ihn suchten jenseits ihrer Grenze, indes der Gott den Menschen als göttliches Obdach sucht.
In solchen Stunden der Erkenntnis wühlte Hyazinth in sich, als wolle er in seinem Innersten den gewaltigen Raum erschaffen, der dem Gott die Heimstätten schuf, gesammelt sich zu finden. Er wollte nichts sein als ein Behälter, ein Pokal, der sich leert, um den hohen Geist einfluten zu lassen, und zuweilen glaubte er, daß der Europäer daran zugrunde geht, weil er sich als Trank des Lebens selbst erschöpft.

Hyazinth war zur Wüste zurückgekehrt, und das Hotel Ispania ließ er weit zurück. Fea – war es der Name eines Jazz-Schlagers? Fea – wieder lächelte er sein gütig-resigniertes Lächeln – sie wollte durch Radio verkünden, daß er noch hienieden weile! Nein, Hyazinth gehörte dem Diesseits nicht mehr.

Als der reiche Edelsteinhändler Hyazinth verließ, schenkte er seinem treuen Führer einen leuchtenden Hyazinthstein.

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Author: Andreas Schüler

Geboren 1970 · Aufgewachsen in Nordhessen · Studium in Frankfurt und Halle · Lebt und arbetet in Berlin · Stationen als Ghostwriter, Konzepter, Art Director, Onlineredakteur, Creative Director, Head of Content, Head of Marketing. Vater von zwei Söhnen.

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