Hyazinth. Novelle von Catherina Godwin.

Hyazinth II fühlte sich bedrängt. Immer wieder tauchte Fea auf, die ihren Hyazinth reklamierte, um dessentwillen ihr erster Mann sie verließ, um dessentwillen ihr zweiter Mann sterben mußte; sie wollte in den Arme des Unechten den Echten vergessen. Ihm aber gefiel die geschminkte Baronin nicht mehr, die ihm einst zum Film verholfen hatte, als sie selbst noch in Mode war. Längst war sie für ihn und andere ein überwundener Standpunkt: die moderne Frau, die den Backfisch markiert, glaubte Ewigkeitswerte zu haben.

Er aber wußte, daß die Stunden eines Stars heute kurz bemessen sind; es galt, seine Stunden zu nützen! Er stand am Höhepunkt. und er lebte nur für den Höhepunkt. Die Übergänge, Auftakte, Abklänge – wozu! Auch in der Liebe genügte der Telegrammstil. Er haßte die Breite der Dauer und er schätzte auch die Erinnerung nicht. Wenn einer stes zurückdenken muß, beweist er die Armut seiner Gegenwart.

Premieren und wieder Premieren! Noch gab es Länder, die er nicht bereiste, fremdrassige Frauen, die er nicht kannte. Noch blieb ihm ein kleines Repertoire zur Vollendung seiner Blasiertheit. Das weltberühmte Hotel Ispania lockte ihn aus begreiflichen Gründen, ein bißchen Urwald mit Drum und Dran wollte er jetzt erleben!
So geschah es, daß Hyazinth II eines Tages im hotel Ispania abstieg. Diese Reise hatte ihm Fea suggeriert, die ihn drohend mit der Versicherung überfiel: Hyazinth, der Echte, der Verschollene, er lebe, lebe am Urwaldrand und nähre sich von Blütenstaub!

Er wollte ihn mal sehen, den Totgesagten, den koketten Burschen mit dem fingierten Selbstmord, der den Kampf des Lebens floh, diesen falschen Helden, der mit Hilfe eines banalen Tricks seinen Weltruhm begründete!

Hyazinth II stemmte seine Muskeln. Er wußte, daß ales Gerede von Geist ein Unsinn bleibt. Der Geist siegt niemals über die Faust wie die moderne Kultur beweist.
Im Ispania war es wie überall in den kosmopolitischen Welthotels: der Engländer, der Amerikaner, die Damen, die Dämchen und Tillergirls, die im Urwald filmten. Natürlich filmte auch Hyazinth II, überwand die Kobra, besiegte den Löwen, überlistete die Schwarzen und entfloh siegreich im Flugzeug.

Hyazinth konnte dem Urwald nichts abgewinnen. Im fremden Lande schafft der Mensch sich zum Vergnügen allerhand Strapazen. Im fremden Lande klettert er auf die höchsten Kirchturmspitzen, im eigenen Lande geht er nie in eine Kirche hinein.

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Author: Andreas Schüler

Geboren 1970 · Aufgewachsen in Nordhessen · Studium in Frankfurt und Halle · Lebt und arbetet in Berlin · Stationen als Ghostwriter, Konzepter, Art Director, Onlineredakteur, Creative Director, Head of Content, Head of Marketing. Vater von zwei Söhnen.

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